Wir alle wissen, Bewegung ist gut für uns. Viele von uns trainieren, um sich körperlich fit zu halten und gesund zu bleiben, andere für die Figur im nächsten Sommerurlaub. Bei mir war es ehrlich gesagt immer eine Mischung aus beidem, wobei sich über die Jahre der Fokus immer mehr auf die Gesundheit gelegt hat (vielleicht auch, weil sich die „perfekte“ Strandfigur nicht mehr so recht einstellen will). Insbesondere die positiven Auswirkungen zur Prävention von Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Diabetes wurden in den letzten Jahrzehnten gut erforscht.
Was allerdings die wenigsten wissen: Bewegung hat außerdem einen positiven Effekt auf unser Gehirn!
Bewegung lässt dich besser denken, lernen und schützt deine geistige Gesundheit
Bewegung verbessert unsere kognitiven Funktionen, die geistige Gesundheit, unser Erinnerungsvermögen und kann sogar die Entwicklung bestimmter neurologischer Erkrankungen vorbeugen. Regelmäßiges Joggen kann sich also nicht nur positiv auf unser allgemeines Wohlbefinden auswirken, sondern auch auf unser Denken! Wenn das mal kein Grund ist, dem Ganzen immer wieder eine Chance zu geben ;)
Aber keine Angst, du musst dich nicht in die Laufschuhe zwängen, wenn das nichts für dich ist. Wie du im folgenden Artikel erfahren wirst, kann auch schon leichtes Radfahren oder schnelles Spazierengehen förderlich sein. Auch meine Tage des Marathonlaufens sind mittlerweile gezählt (mein letzter Berliner Halbmarathon 2019 liegt zwei Jahre zurück) – heute geht’s ausgestattet mit Nordic Walking Stöcken durch den Berliner Tiergarten.
1. Verbesserung des Gedächtnisses
Bewegung hat einen unmittelbaren Einfluss auf unser Gedächtnis, den wir uns zum Beispiel beim Lernen zu Nutze machen können. So konnten Forscher an der Uni Frankfurt nachweisen (https://doi.org/10.1371/journal.pone.0064172), dass langsames Fahrradfahren oder Spazierengehen einen positiven Effekt auf das Lernen von Vokabeln hat. Die Teilnehmer*innen konnten sich neue Wörter besser merken, wenn sie sich direkt während des Lernens bewegten.
Aber körperliche Bewegung hat nicht nur einen kurzfristigen Effekt in Bezug auf unser Gedächtnis, es kann unser Erinnerungsvermögen sogar im Allgemeinen langfristig verbessern. Studien haben gezeigt, dass regelmäßige Bewegung die Gehirnstruktur des Hippocampus vergrößert, der Teil unseres Gehirns, der ganz elementar an Lern- und Gedächtnisprozessen beteiligt ist und unter anderem als erstes bei einer Alzheimer Erkrankung geschädigt wird. (https://doi.org/10.1073/pnas.1015950108)
Diese Effekte wurden wiederum vor allem bei einem moderaten Training im anaeroben Bereich festgestellt. Es geht also nicht darum, sich komplett auszupowern. Besonders Radfahren, Schwimmen oder leichtes Joggen bieten sich hier an. Aber auch 30 Minuten zügiges Gehen 3-4 mal die Woche kann bereits helfen, den kognitiven Abbau des Gehirns im Alter vorzubeugen.
Ein zu anstrengendes Training hat übrigens eher einen gegenteiligen Effekt, da es das Stresslevel erhöhen kann und unser Gedächtnis unter Stress wesentlich schlechter arbeitet.
2. Positive Effekte auf unsere mentale Gesundheit
Wenn wir ein unserem Körper angemessenes Training durchführen, senkt dieses allerdings unseren Stresspegel. Infolgedessen werden weniger Stresshormone gebildet und die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin angekurbelt. Das lässt uns nicht nur besser fühlen, sondern verbessert auch unser Denken, da die Informationsbearbeitung unseres Gehirns beschleunigt wird. Außerdem können wir so psychische Krankheiten wie Depressionen vorbeugen.
Auch das sogenannte „Runner's High“ ist ein realer Effekt, ein Hochgefühl das wiederum besonders nach intensivem Training auftritt. Das liegt vor allem an der Befeuerung unseres Endocannabinoiden Systems. Und ja, der Name ist Programm: es ist sozusagen unser körpereigenes Cannabis, das eine schmerzstillende und lustvolle Wirkung hat.
3. Bewegung verbessert deine Konzentration
Neben der Erinnerungsfähigkeit hat Bewegung noch einen weiteren wichtigen Effekt, der uns im Alltag zu Gute kommt: sie kann unsere Konzentration verbessern. In einer Studie mit Schuldkindern in den Niederlanden wurde festgestellt, dass die Aufmerksamkeit stieg, wenn sie zwischen den Unterrichtsstunden kurze und moderate Trainingseinheiten absolvierten. Auch an deutschen Schulen gibt es unterschiedliche Projekte, in denen Bewegung eingebaut wird, so unter anderem an einer Schule in Bremen. Die Schüler*innen haben dort die Möglichkeit während des normalen Unterrichts Ergometer zu benutzen und berichten von gesteigerter Konzentrationsfähigkeit sowie besserer Merkfähigkeit (https://www.deutschlandfunkkultur.de/laufend-lernen-schluss-mit-der-sitzschule.966.de.html?dram:article_id=486742).
Wichtig ist auch hier: es sind nicht die stundenlangen Power-Workouts, die diesen Effekt fördern, sondern viel mehr moderates Training. Und diese auch lieber kürzer, aber dafür öfter (also etwas anders als beim Sex, meine Herren!).
4. Besserer Schlaf
Wenn du Schwierigkeiten hast gut einzuschlafen, kann Bewegung auch dabei helfen. Körperliche Aktivität erhöht die Körpertemperatur, was sich beruhigend auf den Geist auswirken kann. Außerdem ist es förderlich für unseren zirkadianen Rhythmus, den eingebauten Wecker unseres Körpers, der steuert, wann wir uns müde und wann wir uns wach fühlen.
Wichtig hier: du solltest allerdings nicht direkt vor dem Schlafengehen trainieren, sondern bestenfalls ab 2 Stunden vorher.
Oder: Das sogenannte „Schaukeln“ oder „sich wieder in den Schlaf wiegen“ ist eine mittlerweile wissenschaftlich anerkannte Methode, um zur Ruhe zu kommen. Auch hier gilt wieder die Devise: Wiege dich nicht zu heftig in deinem Bett, das würde nicht nur dein Stress-System wecken, sondern vielleicht auch deinen Bettnachbarn. Wenn du dann noch leise vor dich hin summst, dann ist das sogenannte polyvagale (Wieder)einschlaf-Training perfekt.
5. Bewegung lässt dein Gehirn wachsen
Regelmäßiges Training erhöht außerdem das Wachstum neuer Blutgefäße in den Hirnregionen und verbessert die Funktion bereits bestehender. Das ist wichtig, da unsere Gehirnzellen eine konstante Versorgung mit Sauerstoff benötigen, um zu funktionieren und zu überleben. Immer, wenn Nervenzellen aktiviert werden, steigt der Blutfluss in dieser Region, um den Bedarf zu decken. Ganze 15% der Blutversorgung gehen dabei an unser Gehirn, obwohl es nur ca. 3 % unseres Gesamtgewichts ausmacht. Doch nicht nur Sauerstoff, auch wichtige Nährstoffe und das Wachstumshormon BDNF (ein Protein, das an vielen neuronalen Prozessen im Gehirn beteiligt ist) werden über diese Blutzirkulation vermehrt transportiert. Dies ist eine wichtige Grundlage für die Neurogenese – die Entstehung neuer Gehirnzellen – und verbessert unsere allgemeine Gehirnleistung besonders in den Bereichen des rationalen Denkens, sowie der körperlichen und sozialen Leistung.
Und nun: runter von der Couch!
Wir sehen, dass unser Gehirn, wie so vieles im Leben, Teil eines wechselseitig wirkenden Systems ist und nicht isoliert arbeitet. Was du mit deinem Körper tust, wirkt sich auch auf deine geistigen Fähigkeiten aus.
Also, egal was es ist, finde eine Bewegungsform, die dir Spaß macht und lege los! Das kann auch Gartenarbeit sein (selbst das reduziert die Wahrscheinlichkeit altersbedingter neurologischer Erkrankungen um 50%!) oder schnelles Spazierengehen mit deinem Hund. Und nun: runter von der Couch und viel Freude beim Aufbau deines Hippocampus!
Ich bin dann mal auf dem Weg in den Tiergarten! Wer kommt mit?
Sehr aktuell befassten sich Wissenschaftler aus Brasilien übrigens mit der Frage, was für einen Einfluss Bewegung auf die mentale Gesundheit während der Covid-19 Pandemie hat, nachlesen kannst du das Ganze hier: https://doi.org/10.1007/s10072-021-05082-9
Und hier noch eine Buchempfehlung zum Thema:
Manuela Macedonia. Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke. Verlag: Brandstätter, Wien 2018. ISBN: 9783710603068
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