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AutorenbildSven Sebastian

12 wirkungsvolle Methoden zum Umgang mit der Emotion Angst

Die Emotion Angst hat eine grundsätzlich nützliche Funktion. Sie kann dich in bedrohlichen Situationen zur Vorsicht mahnen, deine Aufmerksamkeit und Konzentration steigern oder dir deine Grenzen signalisieren und dich andere Personen um Hilfe bitten lassen. Es geht also nicht darum, die Emotion Angst loszuwerden, sondern sie in bestimmten Situationen und im richtigen Ausmaß da sein zu lassen, ernst zu nehmen und zu regulieren.


Inhalt



Seit über fünf Jahren befinden wir uns alle scheinbar in einer Krisen-Endlosschleife. Sei es die Corona-Pandemie, die Klima- und Energiekrise, der Ukraine-Krieg, die Waldbrände in ganz Europa, aktuell der Nahost-Konflikt. Die Menschheit und der Planet kommen scheinbar nicht zur Ruhe. All das hinterlässt Spuren in unserem Gehirn. Je exzessiver, unreflektierter wir all die Nachrichten und Informationen aus den verschiedenen Krisenkanälen in uns aufsaugen, umso mehr beschäftigen wir uns damit, gedanklich wie emotional. Einige von uns sind nahezu „süchtig“ auf immer wieder neue, noch aufregendere und negative Nachrichten, sei es aufgrund eines kleinen, feinen Kribbelns in der Bauchgegend, die „Lust“ am Schrecklichen, Furchtbaren, sei es aus einem starken Sicherheitsverlangen heraus, welches selten gestillt werden kann. Nicht wenige meiner Klienten steigern sich zunehmend in ein Katastrophendenken hinein, welches häufig zu einem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit führt.


1. Wie unser Informationskonsum unsere Gedanken und mentale Gesundheit bestimmt


Wer von uns seine Emotion Angst in Schach halten oder erneut unter Kontrolle bekommen will, der muss an die inneren und äußeren Auslöser gehen. Das, was wir unserem Gehirn an Informationen anbieten, beeinflusst wesentlich unsere mentale Gesundheit, Unversehrtheit und emotionale Stabilität. Negative Nachrichten führen zu negativen Gedanken. In der Folge werden wir ärgerlich, wütend, aggressiv. Oder traurig, ängstlich, resigniert. Unsere Persönlichkeitsstruktur, unsere Biografie, unser aktueller körperlicher, emotionaler und kognitiver Zustand sind da die wesentlichsten inneren Einflussfaktoren, inwieweit wir äußeren Nachrichten, Informationen oder Reize eine mitmachende, optimistische, lernbereite Färbung oder eine angstbesetzte, lähmende, deprimierte oder resignierte Färbung geben. Die Neuropsychologie ist sich mit der Medizin und den Neurobiologen einig: das, was wir jeden Tag hören, sehen und erleben, sowie die Person, die wir in unserem Inneren sind, bestimmt wesentlich über unsere Gedanken, Gefühle, Empfindungen und damit auch über unser Verhalten. Daher lohnt es sich, wachsam zu sein bezüglich des eigenen Ichs sowie des tagtäglichen Nachrichten- und Informationskonsums!



2. Drei neuropsychologisch begründete Erkenntnisse zum Thema Angst

Wie komme ich auf dieses Thema? In den letzten Wochen, spätestens seit den brutalen, unmenschlichen Ereignissen in Nahost, bekomme ich zunehmend Anfragen von Menschen, die sich Sorgen über die aktuelle Weltlage machen, vor lauter Besorgnis, Bestürzung und Entsetzen wie gelähmt sind und aufgrund von immer wiederkehrenden Angstzuständen ihren Alltag nicht mehr ausreichend meistern können.


Das Thema Angst und Panik ist mir nicht fremd. In meiner Coachingpraxis arbeite ich tagtäglich mit Menschen, die den Wunsch, aber auch die Notwendigkeit haben, besser und gesünder mit ihrer Emotion Angst umzugehen. Ich erinnere mich sehr gut an eine junge Frau, 24 Jahre, mitten in der beruflichen Karriereentwicklung, die vor lauter Katastrophendenken, Panikattacken und kräfteraubenden Angstzuständen nicht mehr in der Lage war, ihren beruflichen wie privaten Alltag zu meistern. Ihre Gedanken und Gespräche mit sich selbst kreisten immer wieder und wieder um die Besorgnis, dass unsere Welt kurz vor einem klimatischen Kollaps steht. All die Krisen und Kriege waren für diese junge Frau die ersten deutlichen, existenzbedrohlichen Folgen der Klimakrise. Sie traute sich nicht mehr irgendetwas zu konsumieren, zog sich aus dem öffentlichen Leben schrittweise zurück, versank in morgendlichen Depressionen, beschäftigte sich mehrere Stunden immer wieder mit dem Thema. Gleichzeitig agitierte sie jeden anderen Menschen, steuerte jedes Gespräch auf die für sie so furchtbare Problematik, löste sich von vertrauten Personen, die nicht ihrer Meinung waren. Ihr negatives, angstgetriebenes Denken führte Schritt für Schritt in die Isolation, ihr Kontakt zur Außenwelt verlagerte sich zunehmend in die sozialen Medien hinein, die dort vorherrschenden Algorithmen der Informationsverbreitung engten ihren Blick auf die Dinge immer mehr ein. Das änderte sich erst durch ein direktes, offenes und klares Gespräch mit einem ihrer besten Freunde. Das war das Startsignal für sie, etwas für sich und ihrer Gemütslage zu tun. Auf diesem Wege kam sie zu mir und bereits das erste Gespräch brachte für sie eine spürbare Erleichterung. Denn sie verinnerlichte für sich die drei folgenden, neuropsychologisch sehr gut begründeten Erkenntnisse:


1. Es ist nie die Situation selbst, die die Angst auslöst. Es ist immer die eigene Interpretation und Bewertung der Situation, die in uns Angst auslöst.


2. Angst entspricht einer Emotion, die, wie jede andere Emotion auch, von einem selbst körperlich-affektiv-kognitiv reguliert werden kann.


3. Wenn dich die Emotion Angst packt, dann finde folgende drei Dinge für dich in deiner unmittelbaren Umgebung: einen Halt, eine Orientierung, etwas Beruhigendes.


Im Folgenden findest du ein paar Methoden, Techniken und Tipps zum Umgang mit der Emotion Angst in Krisenzeiten.


ACHTUNG: Meine Empfehlungen richten sich AUSDRÜCKLICH an PSYCHISCH GESUNDE Menschen und haben zum Ziel, das psychoemotionale Wohlbefinden in Krisenzeiten zu unterstützen!




3. Allgemeines zur Emotion Angst


Kriege, Krisen und Konflikte werden von uns Menschen als diffuse Bedrohungslage wahrgenommen. Körper und Hirn schalten in einen latenten Alarmzustand. Das erhöht den Überlebenswillen und die Verteidigungs- und Kampfbereitschaft. Wird der natürliche Alarmzustand nicht ausreichen reguliert, kognitiv bewusst oder affektiv unbewusst, dann kann dieser zu einem gefühlten Kontrollverlust, zur Machtlosigkeit und Ohnmacht führen. Ist die Bedrohungslage nicht persönlich überschaubar, beeinflussbar und kontrollierbar, dann fangen wir an, uns unendlich viele Sorgen zu machen, Grübeln wieder und wieder über die Situation, empfinden mit der Zeit mehr und mehr an Ausweglosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Stress. Insbesondere unsere Gedanken kreisen ohne Pause um einige wenige Fragen: Wann hört das endlich auf? Wann kommen wir wieder ins sichere Fahrwasser? Wo ist der Ausweg aus allem? Wo der Retter, die Retterin? Genau in diesem Zustand der höchsten Verunsicherung und Instabilität ist unser Gehirn ein gefundenes „Fressen“ für selbsternannte Heilsbringer, vermeintlich schnellen, da radikalen Lösungen und fundamentalen Verführern und Meinungsmanipulatoren. Was der Mensch im emotionalen Zustand der Angst einzig und allein anstrebt ist: Sicherheit, Stabilität, Halt und Orientierung.



4. Funktion der Emotion Angst


Die Emotion Angst ist eine neurobiologisch sinnvolle Reaktion auf eine Gefahr oder Bedrohung, sie mobilisiert Energie für Angriff oder Verteidigung, in der heutigen Zeit aber auch für das Anstoßen eines Um- und Neudenkens althergebrachter, gewohnter Einstellungen, Normen und Werte. Angst sorgt, wie der Ekel auch, dafür, dass wir Situationen oder Dinge vermeiden, die uns riskant erscheinen. Wir brauchen die Angst, sie ist ein Ratgeber. Sie warnt vor Gefahren und auch negativen, existenzbedrohenden Entwicklungen, denn es geht um schnelles Handeln und Reagieren in gefährlichen Situationen. Angst zu verspüren ist demnach normal.


Für den Einzelnen, die Einzelne, aber auch für die Gesellschaft, wird es erst problematisch, wenn die Emotion Angst in unangemessenen, eher virtuell-fiktiven, unrealistischen, künstlich aufgebauschten, vom realen Alltag weit entfernten Situationen überhandnimmt, oder aber auch, wenn zu wenig Angst besteht und damit das gesunde Warnsystem außer Kraft ist.



5. Ausdruck der Emotion Angst


Wenn uns Menschen die Emotion Angst überkommt, dann wird das klare, analytische, kritische und lösungsorientierte Denken blockiert. Rationale Entscheidungen sind kaum noch möglich. Aber auch alle weiteren kognitiven Funktionen wie die Emotionskontrolle und die Affektregulation, oder auch die Wahrheitsprüfung und der Realitätsbezug sind spürbar eingeschränkt.


Angst besteht in der Regel aus einer körperlichen Reaktion, zum Beispiel Herzrasen, Zittern und Schweißausbrüchen, einer meist negativen Erwartung oder gedanklichen Bewertung der Situation ("Ich könnte einen Herzinfarkt bekommen", "Ich werde mich blamieren") sowie der Tendenz, bestimmte Objekte, Situationen, Personen und Gruppen zu meiden, sofern das möglich ist.


Der mit der Emotion Angst verbundene körperliche, affektive und kognitive Zustand wird von den meisten Menschen als höchst negativ und bedrohlich empfunden. Ironie des Schicksals: Von allein kommt meistens keine Beruhigung des auf Alarm geschalteten Organismus. Im Gegenteil, die Emotion Angst liebt es, sich selbst höchst dramatisierend aufrechtzuerhalten. Die Erwartung weiterer Angstattacken erhöht außerdem im Sinn einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung die Wahrscheinlichkeit, dass diese wieder auftreten. Betroffenen hilft es meistens nur, die Situation so schnell wie möglich zu verlassen oder die Angst auslösenden Reize, Signale und Informationen zu stoppen, zu zerstören, auszublenden oder, was nicht immer so einfach ist, für sich kognitiv neu zu bewerten und einzuordnen.



6. 12 Tipps für die aktuell bestehende Zeit zum Umgang mit der Emotion Angst


Die folgenden Tipps sind eine Auswahl von einfach umsetzbaren Methoden und Techniken der Angstregulation und Angstvermeidung. Einige werden dich persönlich ansprechen, andere nicht. Wähle für dich selbst, was zu dir passt. Wenn du intensiver am Thema Emotion Angst und deren Regulation und Steuerung im Alltag arbeiten willst, dann kontaktiere mich, so dass ich dir bei Bedarf ein paar weitere Methoden und Techniken mitgeben kann.


1. Nutze Social Media ab sofort äußerst kritisch.

Social Media-Algorithmen sind auf Empfindungen, Gefühle, Affekte und Klicks aus. Je negativer diese ausfallen, umso einfacher lassen sich die konsumierenden Gehirne geistig und emotional steuern und manipulieren. Nahezu alle Social Media-Algorithmen unterstützen die einseitige, undifferenzierte Informationsverbreitung. Berichte, Videos und Fotos, die vor allem negative Empfindungen, Gefühle und Impulse (Affekte) auslösen werden auf den Plattformen durch die Algorithmen bevorzugt. Daher ist es notwendig, darauf zu achten, ob die Quellen glaubwürdig sind oder es sich um Fake-News handelt. Vermeide es auf jeden Fall, verstörende Videos anzusehen. Sperre Kontakte, die Fake News verbreiten und melde diese sofort dem Provider. Social Media kann nützlich sein, um sich fachlich fundierte, menschenfreundliche Unterstützung zu holen oder das Gefühl zu bekommen, man steht mit seinen Sorgen und Ängsten nicht allein da. Weiterhin können Social Media Beiträge behilflich dabei sein, deine Gedanken von der Emotion Angst abzulenken. Ich liebe es zum Beispiel, mir auf Instagram witzige Reels oder Hunde- und Katzenvideos anzuschauen. Gerade auch in Momenten, in denen ich denke, die Welt geht gleich unter und es gibt für mich absolut nichts mehr zu lachen.



2. Reguliere dein Medienkonsumverhalten.

Nachrichten können deine Ängste und Sorgen verstärken, wenn du diese für dich als ausreichend negativ und bedrohlich bewertest. Wenn die Informationen für dich zusätzlich noch als sehr undurchsichtig, verwirrend und unkontrollierbar rüberkommen, dann ist es notwendig, den Konsum von Nachrichten und politischen Talk Shows auf ein minimales Maß zu reduzieren. Wenn für dich die Nachrichtenflut zu belastend wird, genügt es, sich ein- oder zweimal am Tag zu informieren, statt die Meldungen in Dauerschleife zu konsumieren. Dafür setzt du dir am besten ein Zeitfenster morgens und mittags. Am Abend bitte möglichst keine Nachrichten schauen. Pausen als Ruheort planen, damit die Psyche zu Kräften kommt und sich erholen kann. Und frage dich immer wieder aufs Neue: Wofür höre und sehe ich mir die Nachrichten an? Was erhoffe ich mir davon? Erfüllt sich das am Ende auch? Welche beruhigenden oder beängstigenden Gefühle und Empfindungen füttere ich damit? Was kann ich aufgrund der Nachrichten im Folgenden konkret tun? Was liegt in meiner Macht, in meinem Einflusskreis? Was beruhigt mich nach der Nachrichtenschau? Zusammengefasst: Vermeide bewusst und aktiv eine Über-Information mit Katastrophen-Meldungen, die dich weder persönlich oder aktuell betreffen! Filtere bewusst deinen Input, welche Informationen du konsumierst, welche Kanäle du wählst!


3. Bleib in Kontrolle und schaffe dir eine Tagesstruktur.

Die Emotion Angst ist geprägt von Kontroll- und Sicherheitsverlust sowie Orientierungs- und Planungslosigkeit. Unsere Tage und Nächte verlaufen zunehmend strukturlos, wir verlieren uns kognitiv und körperlich an die Emotion Angst. Diesem Prozess gilt es sich entgegenzustellen. Schaffe dir eine feste und einfache Tagesstruktur, denn diese gibt deinem Hirn Orientierung und Sicherheit. Führe deinen Alltag so normal wie möglich weiter, kommuniziere mit anderen Menschen offen über deine Empfindungen, Gefühle, Sorgen und Hoffnungen. Es ist in Ordnung - trotz schrecklicher Ereignisse - das eigene Leben weiterzuleben. Du brauchst deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben. Handle vielmehr mit gutem Gewissen verantwortungsvoll, hilfsbereit, achtsam und friedliebend innerhalb deines Lebensbereiches.


4. Suche die Gemeinschaft.

In Zeiten globaler Bedrohungen ist das Gefühl, damit nicht allein zu sein, sehr wichtig. Menschen sind soziale Wesen, leben in Netzwerken und brauchen die Gemeinschaft. Isolation und Alleinsein machen Menschen für Ängste empfänglicher. Daher empfehle ich immer die eigene Angst und die damit verbundenen Befürchtungen und Sorgen mit anderen Betroffenen und Freunden zu teilen. Triff dich persönlich mit Freunden, telefoniere oder tausche dich gern auch schriftlich mit anderen Personen aus. Das gegenseitige Verständnis für aufkommende und bestehende Gefühle und Empfindungen der Emotion Angst, eine gewisse Solidarität, Kommunikation und Gemeinschaft untereinander wirkt sich in der Regel positiv gegen Angst, Orientierungslosigkeit oder Hilflosigkeit aus. Wichtig: Achte darauf, das die Kommunikation und der damit verbundene Informationsaustausch nicht negativ verstärkend ausfällt (jeder und jede versucht sich durch eine noch schlimmere Geschichte oder einen noch dramatischeren Gedankenlauf zu übertrumpfen), sondern vorrangig dazu dient, sich gegenseitig Sicherheit, Verständnis und Stärke zu geben, um mit den angstbesetzten Zustand besser klar zu kommen sowie im besten Falle einen Ausweg aus dem emotionalen Tief oder dem wiederkehrenden Gedankenkarussell zu finden.



5. Aktiver Unterstützer/aktive Unterstützerin werden.

Dieser Tipp knüpft an den zweiten Hinweis weiter oben an. In der Krise andere Menschen zu unterstützen, je nach den bestehenden persönlichen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen, ist eine wesentliche Einflussgröße, um den eigenen Angstzustand zu befriedigen. Wir Menschen sind bio-psycho-soziale Wesen, die im Fall der Fälle aus der Biologie heraus zum Altruismus, also zu einem unterstützenden und helfenden Verhalten neigen. Dabei gilt es immer, das Mitgefühl stets mit einer ordentlichen Portion an Verstand, Vernunft, Realität und Machbarkeit zu versehen. Sach- und Geldspenden, ehrenamtlich als freiwilliger Helfer zu arbeiten, Charity-Projekte organisieren, auf Demonstrationen und Kundgebungen dabei zu sein, aktiv an Blogs und Diskussionsrunden teilzunehmen, all das macht Sinn, wenn dies so weit wie möglich realistisch, ressourcenorientiert und „unaufgeregt“ passiert.


6. Reguliere deine Gefühle, Empfindungen und dein Erleben.

Je sinnvoller du in Krisensituationen zugunsten persönlicher, wichtiger, dich und deinem inneren Zirkel betreffender Dinge agierst und handelst, um so spürbarer wird deine Emotion Angst in den Hintergrund gedrängt. Struktur, ritualisierte Abläufe, Ordnung, soziale Haltepunkte, gemeinsame Visionen und Hoffnungen, all das sind Garanten für ein erfolgreiches Angstmanagement. Achtung! Das bedeutet allerdings nicht, die Emotion Angst zu verleugnen, zu bagatellisieren, zu bewitzeln oder zu verunglimpfen. Nicht die eigene Angst, aber auch nicht die Angst anderer Personen. Angst ist, wie jede Emotion, ein Zustand, der sich bei jedem Menschen auf der kognitiven, affektiven und körperlichen Ebene ausdrückt. Daher ist es wichtig, die Angst, wenn sie für einen spürbar präsent oder auch nur unterbewusst geahnt (antizipiert) wird, bewusst wahrzunehmen, einzuordnen und nicht zu ignorieren. Es hilft immer, mit Freunden darüber zu sprechen (vorausgesetzt diese beherrschen das bewertungsfreie Zuhören) und sich u.a. die folgenden Fragen zu stellen: Was betrifft mich tatsächlich? Welche Bedrohung ist real? Was kann ich konkret jetzt unternehmen, damit es mir emotional besser geht? Schreibe deine Gedanken auf, auch deine Befürchtungen und Sorgen, deine Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen, denn so bekommst du nicht nur dein Denken klarer, sondern auch die Gefühle! Vermeide so weit wie möglich Gespräche und Kontakte mit zum Beispiel Kriegsleugnern, Fanatikern jeglicher Richtung, Hellsehern, Wahrsagern, Manipulatoren, usw. Gehe toxischen Zeitgenossen aus dem Weg.


7. Achte auf deine eigene Selbstfürsorge.

Besinne dich immer wieder auf das, was dir persönlich guttut. Du mutierst nicht gleich zu einem egozentrischen, narzisstischen Selbst-Ich, wenn du trotz Ukraine Krieg oder Nahost-Konflikt im Alltag weiterhin mit anderen Menschen zusammen lachst, etwas Schönes und Angenehmes genießt, ins Kino gehst, Spaziergänge machst, etwas kochst, dich mit Freunden triffst. In meinen Coachingstunden höre ich manchmal den Satz: „Ich habe ein richtig schlechtes Gewissen, wenn ich hier zu Hause am Abend in ein Restaurant fein essen gehe und dann noch in einen Club, und in der Ukraine ist Krieg, kein Strom, keine ausreichenden Nahrungsmittel.“ Was passiert in diesem Moment im Gehirn meines Gegenübers? Es setzt zwei Dinge, die nicht direkt miteinander zu vergleichen sind, ins Verhältnis. Es ist einfach irrational zu denken: „Ich habe nur dann das Recht in ein Restaurant zum Abendessen zu gehen, wenn auf der gesamten Welt Frieden ist und jeder Mensch die Möglichkeit hat, das bei sich vor Ort auch zu tun.“ Natürlich gibt es Ausnahmen, zum Beispiel wenn vom Krieg oder einer Krise eine Person aus dem engsten Familien-, Freundes-, Bekannten- oder Arbeitskreises betroffen ist. Wer mit der Emotion Angst gut umgehen will, der muss lernen, die Dinge des Alltags in ein realistisches und wahrheitsgemäßes Verhältnis zu sich selbst und seiner unmittelbaren Umwelt zu setzen. Daher achte auf eine ausreichende Selbstfürsorge und auch Selbstliebe.

8. Stoppe die negative Gedankenkette in deinem Kopf.

Die Emotion Angst ist immer unmittelbar mit negativen Gedankenketten verbunden, die rasant schnell durch unsere Gehirne toben und entsprechend negative Empfindungen, Gefühle und Körperzustände hinterlassen. Angst ist immer in deinem Kopf zu Hause und speist sich vor allem aus kognitiven Zuständen. Sofern du noch die mentale „Ruhe“ hast, dann frage dich wieder und wieder: „Sind meine Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, wirklich hilfreich, nützlich, meine eigenen?“, „Welche Gedanken wären, stattdessen, besser?“ Mache dir klar, dass du deine Gedanken wählen kannst. Sage laut „Stopp!“ und richte deine Aufmerksamkeit auf etwas Anderes, Schönes. Versorge dein Gehirn mit möglichst viel positivem Input als Ausgleich. Kannst du etwas Positives in der Situation entdecken? Fokussiere dich auf all die helfenden, warnenden Signalen deiner Angst, werde dir dieser bewusst, nutze diese als Anstoß für Veränderungen in deiner aktuellen Situation.


9. Packe dir deinen individuellen mentalen Notfall-Koffer.

Es ist gut, im Fall der Fälle ausreichend vorbereitet zu sein. In einen mentalen Notfall-Koffer gehören alle Dinge, die dir gute Laune bereiten, dir Kraft und Sicherheit geben und dich beruhigen. Stelle dir als erstes eine Liste als deine individuelle Notfall-Apotheke zusammen: Musik, Bücher, Zitate, Filme, aber auch ein gutes Parfum, etwas zum Anschauen, Erinnern, Basteln, Stricken, ein paar ausgewählte Süßigkeiten sind auch eine gute Idee. Auf diese Liste gehört zunächst alles, was du so liebst, was dich lächeln lässt und vor allem was dir selbst persönlich gut tut. Besonders wirkungsvoll sind Dinge, die mehrere Sinneskanäle von dir zum gleichen Zeitpunkt ansprechen. Aus dieser Liste suchst du dir dann etwas heraus, was du während des Tages gut mit dir nehmen kannst und so für den „Notfall“ parat hast. Denn wenn du gerade in negativen Gedanken versinkst, denkst du nicht mehr an die vielen kleinen schönen Dinge in deinem Alltag. Die Gefahr, in diesem Moment in die Emotion Angst abzudriften, ist groß. Du kannst diese aber deutlich verringern, indem du dich mit Hilfe deiner Notfall-Apotheke und deines gut gepackten Notfall-Koffers wieder daran erinnerst, dass dein Leben zum größten Teil gefahrlos verläuft. Je stärker dein Hirn, vom Eingepackten positiv getriggert, von der Emotion Angst abgelenkt wird, umso besser für deinen Gesamtzustand in diesem Moment.



10. Hinterfrage gezielt deine Ängste und Sorgen.

Befürchtungen, Sorgen und katastrophisierende Gedanken versetzen den Körper grundsätzlich in Alarmzustand. Dafür verantwortlich zeichnet sich dein Stress-System, ein fein austarierter Regulationsmechanismus in deinem Organismus, der es uns Menschen ermöglicht, sich wieder und wieder bestimmten gefährlichen Situationen anzupassen und diese schlussendlich für sich zu beherrschen. Befürchtungen, Sorgen und katastrophisierende Gedanken stellen, genauer betrachtet, sogenannte Kognitionen dar, mentale Konstrukte (Denkstrukturen) in deinem Hirn, auf die du in einer für dich kritischen Situation nur liebend gern nahezu automatisierst zurückgreifst. Es lohnt sich, diesen Angst erzeugenden Kognitionen einmal auf die Schliche zu kommen. Denn nur so lassen sich diese auf Dauer verändern. Ergründe daher hin und wieder so detailliert wie möglich, auf welchen Grundannahmen und Gedankenstrukturen sich deine Emotion Angst begründet. Dazu könntest du die folgenden Fragen für dich beantworten:

  • Was genau fürchtest du?

  • Wie realistisch ist es, dass deine Befürchtungen zutreffen?

  • Was könnte alternativ auch passieren?

  • Wie wahrscheinlich wäre das?

Soweit möglich, solltest du deine Überlegungen in der Realität austesten oder in einem Gespräch mit einer anderen Person überprüfen. Auch das stete Abwägen von Wahrscheinlichkeiten hilft, unangemessene und übertriebene Befürchtungen in den Griff zu kriegen. Das Ziel: negative, angsttreibende Gedanken wie zum Beispiel "Ich falle in Ohnmacht." in eine beruhigende Selbstinstruktion zu verwandeln. "Bei der letzten Panikattacke hatte ich dieselben Symptome und bin nicht umgefallen. Also wird auch diesmal nichts passieren. Ich laufe jetzt ruhig diesen Weg weiter, spüre die Bodenhaftung unter meinen Füßen, suche mir mit meinen Augen eine sichere Orientierung, atme, dann verschwinden die angstbesetzten Gefühle von ganz allein wieder."


11. Konzentriere dich auf das Positive.

Die Emotion Angst lässt von Natur aus keine positiven Gefühle, Gedanken und Empfindungen zu. Sie richtet ihren Fokus mit Vorliebe auf alles, was ihre Sorgen und Bedenken weiter füttert. Angst kennt keine Grenzen, sie nimmt sich all das, was ihr dient. Umso wichtiger ist es, dass du dir in Krisenzeit wieder und wieder real positive Ereignisse bewusst machst. Du lebst in einem demokratischen Land, in dem kein Krieg herrscht. Du kannst jeden Tag in den Supermarkt gehen und dir dort etwas zu essen kaufen. Achte sehr genau darauf, dass dir dabei dein Gehirn nicht einen Strich durch die Rechnung macht! „Ich bin dankbar, dass ich in einem friedlichen Staat lebe.“ „Noch friedlichem Staat, die Geschichte lehrt uns anderes.“ Stoppe diese negativen Vorhersagen, dieses „in die Glaskugel schauen“, bleibe bei den aktuellen Fakten und von dir selbst Erlebtem. Schaue also nicht nur die dramatischen Nachrichten, sondern nehme auch intensiv die guten Ereignisse wahr, mit Herz und Verstand. In Europa werden immer wieder Menschen gerettet, Geflüchtete aufgenommen, diplomatische Gespräche geführt, wunderbare Umweltprojekte umgesetzt. Es klingt so lapidar, ist aber in der Umsetzung nachweislich neurobiologisch enorm wirkungsvoll: Sei dankbar für das, was du hast, bereits erreicht hast und vor allem wer du geworden bist. Schreibe jeden Abend mindestens 60 Tage lang ein Glückstagebuch. Notiere dir darin Erlebnisse des abgelaufenen Tages, für die du dankbar bist bzw. die dich glücklich machten, trotz der oder gerade in der Krise. Schreibe weiterhin auf, was du dazu beigetragen hast und wem du dafür heute besonders dankbar bist und warum. Neurowissenschaftlich ausgerichtete Studien haben belegt, dass sich hierdurch das psychoemotionale Wohlbefinden sowie die Wahrnehmung des Alltags in all seinen Facetten nachhaltig verbessert.


12. Bleibe in Bewegung.

Regelmäßige sportliche Aktivitäten und Entspannungsübungen können Angstreaktionen langfristig mindern. Bei manchen Störungen helfen sie auch im Akutfall, unter anderem weil sich körperliche Entspannung und Erschöpfung physiologisch schlecht mit einer Angstreaktion vereinbaren lassen. Achtung! Während einer Panikattacke kann sich die Wirkung jedoch umkehren, hier sind andere Maßnahmen angebracht (Halt, Orientierung, Erdung geben.) Bei Angst sind wir häufig angespannt und nehmen eine sehr enge, verkrampfte Körperhaltung ein. Das ist eine Wechselwirkung, denn diese Habachthaltung signalisiert wieder deinem Gehirn, welches sich in einem Sorgen- und Bedenkenmodus befindet, dass du und dein Körper in Alarmbereitschaft sind und Gefahr im Verzug ist. Lockere dich also hin und wieder durch wirksame Atemübungen und Progressive Muskelentspannung. Wichtig dabei ist, dass die dazu passenden Übungen von dir und deinem Gehirn gut eintrainiert werden, so dass diese im Fall der Fälle intuitiv und ohne unnötige Zeitverzögerung abrufbar sind. Wenn du zum Beispiel 3x pro Woche 10 Minuten übst, wirst du langfristig einen Effekt erzielen. Es gibt großartige Übungsvideos im Internet, mit denen du lernen kannst, bei Angstanspannung den Körper wieder zu entspannen. Ganz ähnlich funktionieren Atemübungen, die den Körper in einen entspannten Zustand versetzen und ihn so schulen, dass in Akutsituationen intuitiv ebenso abzurufen. Das gibt auch dem Gehirn die Rückmeldung, dass die Angst nachlassen darf. Achtsamkeitsübungen schaffen Klarheit im Kopf und wirken sich positiv auf das Urteilsvermögen aus. Eine gesunde Ernährung fördert weiterhin das Wohlbefinden, es empfiehlt sich, den Alkoholkonsum einzuschränken.



7. Kurzfristige versus langfristige Strategien


In der Neuropsychologie werden grundsätzlich zwei Arten von Strategien zur Angstbewältigung diskutiert: kurzfristige und langfristige Strategien. Kurzfristige Strategien helfen dir, unmittelbar während einer Akutsituation die Kontrolle über deine angstfokussierten Affekte und Impulse wiederzuerlangen, indem du deine Atmung, deinen Muskeltonus, dein vegetatives Stresssystem langsam wieder unter Kontrolle bekommst und mental aus deinem angstmachenden Gedankenkarussell aussteigst. Techniken der Entspannung, das Bitten einer anderen Person um Beistand, das Festhalten an imaginären Bildern und Vorstellungen im Kopf, das Vermeiden einer angstauslösenden Situation, das intuitive Abrufen einer beruhigenden Atemtechnik, all das sind Beispiele für eine kurzfristige Strategie. Ziel ist es stets, wieder die Kontrolle über die aufgewühlten und übererregten körperlichen und affektiven Regelmechanismen im Organismus zu erhalten. Häufig greifen Betroffene in die Kiste der Vermeidung von angsterzeugenden Situationen und Ereignissen. Es wird zunehmend online bestellt, anstatt in den Supermarkt zu gehen. Theater, Kino und Konzertgänge werden vermieden und durch Home Entertainment ersetzt. Den Flieger, das "Geisterzimmer" im Familienhaus nicht zu betreten, das sind weitere kurzfristige Strategien, um mit der Emotion Angst vorbeugend umzugehen. (Letzteres Beispiel kommt sogar in meiner eigenen Familie vor!) Ein weiterer kurzfristig möglicher Ausweg aus der Angst ist die Ablenkung, Spazierengehen, Musik hören, sich irgendeiner anderen Tätigkeit widmen, die einen vorübergehend beschäftigen soll, sind typische Beispiele für die Technik Ablenkung.


Hier zwei nützliche Hinweise von mir dazu: die Ablenkung bringende Tätigkeit sollte auch immer einen Sinn und einen Nutzen haben, dann bleibt das ängstliche Gehirn länger und intensiver dran. Und Vorsicht bitte vor schnell wirksame Substanzen, die dich ebenfalls von der Emotion Angst mesolimbisch „ablenken“, aber am Ende zu einer verführerischen Abhängigkeit und Verstärkung der Angst führen können.


Beim Lesen ist dir bestimmt auch in den Sinn gekommen: kurzfristige Strategien funktionieren nur vorübergehend. Irgendwann musst du doch einkaufen, möchtest du das Zimmer wieder betreten, kannst nicht ununterbrochen am Telefon hängen. Die Neurowissenschaft ist sich da ganz im Klaren: ohne langfristig wirksame Strategien kommt die Angst immer wieder zurück, in vielen Fällen halten diese kurzfristigen Strategien die Angst sogar aufrecht, weil sie nicht an der Ursache ansetzen, sondern deinem System suggerieren, dass deine Angst gerechtfertigt ist, die Situationen wirklich sehr schlimm sind.


Langfristige Strategien setzen an den Ursachen an und helfen daher, nachhaltig mit unserer Angst besser zu leben beziehungsweise diese zu reduzieren. Zu den langfristigen Strategien gehört unter anderem das Erlernen und Trainieren von kognitiven Methoden und Techniken, die deine Neuro-Resilienz, also deine Ressourcen für mehr Durchhaltevermögen, Selbstzuversicht, Mut, kognitive Fluidität, emotionale Stabilität usw. stärken. Aber auch verschiedene Stress-Coping Techniken sowie eine gesunde und selbstbestimmte Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.


Wenn du dich für langfristige Strategien zur Angstbewältigung interessierst, dann bestelle meinen Newsletter, verlinke dich mit meinem Instagram Profil oder frage einen ersten Termin bei mir an. Das Thema Angstbewältigung im beruflichen wie privaten Alltag werde ich in der nächsten Zeit mit meinem Team am Proventika Institut in Berlin weiterhin verstärkt bearbeiten, um dich und andere Interessenten über die aktuellen Erkenntnisse aus der Angstforschung weiterhin neutral zu informieren sowie Methoden und Techniken für eine kurzfristige und langfristige Strategie zur Angstbewältigung alltagstauglich zu vermitteln.


Falls dir die aufgeführten Tipps nicht helfen und du für dich selbst spürst, dass deine Emotion Angst sich bereits sehr tief in deine Seele eingegraben hat, dann bitte suche dringend professionelle Unterstützung und Hilfe, um deine persönliche kognitive, emotionale und körperliche Krise psychisch zu bewältigen. Kontaktiere ausgewiesene Ärzte, Therapeuten, Telefonseelsorger, Angst-Ambulanzen. Die aufgeführten Kurzzeit-Strategien zur Angstbewältigung richten sich ausdrücklich an psychisch gesunde Menschen.

Vielen von uns helfen bereits einfache Selbsthilfetipps und das Verstehen, was Angst eigentlich ist, um eine übertriebene Angst wieder zu verlernen. In schwereren Fällen bedarf es dazu allerdings immer eine ärztliche Konsultation sowie einer Psychotherapie.


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