Die Corona Pandemie hat uns allen etwas geschenkt: Denkzeit! Wir haben uns seit langem nicht mehr so viele Gedanken gemacht über das Leben, den Alltag, unsere Zukunft, Vergangenheit, unsere familiären und sozialen Verhältnisse, inneren Wünsche und Hoffnungen, aber auch über unsere Ängste und Befürchtungen.
Aus der Hirnforschung wissen wir: Unsere Gedanken beeinflussen nachweislich unsere Gefühle und unser Handeln. Daher lohnt es sich für jeden von uns, unseren alltäglichen Gedanken nicht nur Beachtung zu schenken, sondern diese auch gezielt zu managen.
Wir denken durchschnittlich 6.200 Gedanken am Tag
Aus den aktuellen Erkenntnissen der Neurowissenschaften wissen wir: Der Mensch kann nicht nichts denken! Wie wir auch nicht nichts kommunizieren können. Ein Forscherteam der Queens University konnte erstmals messen, wo Gedanken in unserem Kopf anfangen und enden. Für die Studie haben die Hirnforscher Hirnscans von 184 Probandinnen und Probanden erstellt. Anschließend haben sie die Länge der einzelnen Gedanken überschlagen und dabei einige tausend unterschiedliche Gedanken-Muster pro Person und Tag errechnet. Auf diesem Wege sind sie auf eine spannende Erkenntnis gekommen: Wir denken durchschnittlich 6.200 Gedanken am Tag. Und einige von uns sicher auch in der Nacht.
Jeder Mensch denkt in individuellen Mustern. Dies ist eine weitere Erkenntnis aus dieser Studie. Wenn unser Gehirn einen Gedanken denkt, dann nimmt es einen spezifischen neurobiologischen Zustand ein. Das bedeutet, jeder Gedanke von uns hinterlässt einen neurobiologischen Fingerprint in unserem Kopf. Daher macht es durchaus Sinn, sich immer wieder einmal Gedanken über den Inhalt und die emotionale Qualität unserer eigenen Gedanken zu machen und negative Grübeleien zu stoppen.
Den Gedanken-Autopiloten abstellen
Wenn unsere Gedanken einmal auf Kernkonflikte, ungelöste Probleme, Sorgen und unangenehme Fragen gerichtet sind, dann lassen sich diese von uns nicht mehr so einfach kontrollieren oder steuern. Das Gehirn scheint auf Autopiloten geschaltet zu sein. In Katastrophen zu denken, diese sich auch noch richtig auszumalen, das scheint unseren neuronalen Netzwerkstrukturen in unserem Kopf zu gefallen. Genau in diesen Momenten gilt es, das gedankliche, ja kognitive Steuer wieder selbstbewusst und nervenberuhigend in die Hand zu nehmen!
Um dies zu erreichen ist es im ersten Schritt notwendig, sich den gerade ablaufenden Gedanken selbst gewahr zu sein. Nur so sind wir überhaupt in der Lage, diese, wenn erwünscht, zumindest zu stoppen, um so eine Richtungsänderung zu bewirken. Ziel ist es, in der jeweiligen Situation so schnell wie möglich auf andere Gedanken zu kommen. Das gelingt am einfachsten durch eine wirkungsvolle Ablenkung unserer Aufmerksamkeit und Konzentration auf etwas, was nicht mehr unmittelbar mit den quälenden Gedanken und deren negativen Auswirkung auf unsere Gefühle und Empfindungen zu tun hat.
Achtung! Ein dauerhafter Stopp stressiger Grübelei ist nur möglich, wenn sich der oder die Auslöser der Grübelei zum Neutral-Positiven ändert. Der wahre Ursprung eines negativen, belastenden und aufreibenden Gedankens kann zum einen auf unsere unmittelbare Umwelt und den darin herrschenden Rahmenbedingungen zurückgehen, zum anderen aber auch auf uns selbst, unseren Charaktereigenschaften, Werte, Normen, Einstellungen, Denkweisen, Gewohnheiten, usw. Der Auslöser für permanente Grübelei und negative Gedanken kann auch ein traumatisches Erlebnis sein. Das kann schließlich dazu führen, dass Betroffene dadurch immer weiter „hinuntergezogen“ werden. Ist der Alltag durch dauerhafte negative Emotionen und Gedanken stark beeinträchtigt wird, kann das sogar zu Depressionen führen. Spätestens dann sollte auf alle Fälle therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden.
Die folgenden 5 Übungen verändern noch nicht grundlegend und dauerhaft Ihren persönlichen Zugang bzw. Ihre Einstellung zur Situation oder Ihre allgemeine Herangehensweise und Bewertung von schwierigen und herausfordernden Ereignissen!
Was allerdings möglich ist: Sie können Ihren Gedankenkreislauf zumindest vorübergehend unterbrechen und auf eine andere Fährte locken. Noch besser, Sie können sich in kurzer Zeit auf andere, nervenschonendere Gedanken bringen. Und das kann bereits eine enorme Entlastung Ihres Stress-Systems sein!
Die folgenden 5 Übungen werden dir helfen, negative Grübelei und die damit verbundenen stressigen Gedanken in deinem Kopf zu stoppen
1. Fokussiere dich neu.
Deine Gedanken steuern all deine Sinneskanäle und damit all deine Wahrnehmungen. Wenn du immer wieder und wieder über ein ärgerliches Gespräch mit einer noch schrecklicheren Person nachdenkst, dann wirst du die schönen und angenehmen Dinge und Menschen um dich herum nicht mehr registrieren. Du „tauchst“ mit deinem Gehirn nahezu vollständig ab in das Tal der Tränen, der Frustration, Resignation, Wut und Unlust.
Stoppe das! Wie? Indem du deinen Fokus gezielt und bewusst auf etwas innerhalb deiner Umgebung lenkst, was die ausreichende sinnliche Kraft besitzt, dich gedanklich neu zu fesseln! Richte also deine Aufmerksamkeit und Konzentration auf einen dir lieben und vertrauensvollen Gegenstand oder Menschen, lenke deinen Fokus, das heißt all deine Sinne auf etwas, was auch real da ist, greifbar, riechbar, schmeckbar, tastbar, hörbar, fassbar.
Wenn du das nächste Mal in den Sog eines Gedankenstrudels gerätst, führe diese Übung durch.
2. Werde aktiv und handle!
Höre damit auf, deine ungelösten Probleme, offenen Fragestellungen, Konflikte und Ärgernisse immer wieder zu durchdenken! Solange du das tust, wirst du aus deinem Grübeln nicht herauskommen. Gehe Konfrontationen oder unangenehmen Besprechungen nicht mehr aus dem Wege, weil du diese fürchtest und stelle dich deinen eigenen Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen.
Notiere eine Woche lang deine Gedanken. Nutze dazu ein Gedanken-Tagebuch oder erstelle ein Sprachmemo. Ganz wichtig: Bleibe dabei wertefrei! Halte all das fest, was dein Gehirn gerade beschäftigt. Du kannst dir zur Unterstützung einen Timer aller 60 Minuten stellen, der dich daran erinnert, deine Gedanken festzuhalten. Noch einmal: Verbiete dir, diese zu bewerten.
Nach einer Woche gehst du deine Gedanken durch. Welche deiner Gedanken wiederholen sich immer wieder? Um welche Fragestellungen drehst du dich permanent gedanklich im Kreis? Von welchen Gedanken wirst du wieder und wieder überrannt, verrückt gemacht, gestresst, verärgert?
Jetzt heißt es: Werde aktiv und handle! Frage dich ganz bewusst, welchen ersten kleinen Schritt du machen kannst, der aller Voraussicht nach zu einer Besserung führen wird. Schreibe diesen am besten gleich auf und setzen diesen so schnell wie möglich um.
Ist der erste kleine Schritt geschafft, fällt das Dranbleiben leichter. Denn von alleine hat sich noch selten etwas zum Besseren gewendet.
3. Wenn nicht anders möglich: Akzeptiere es!
In unserem Alltag gibt es einfach immer wieder Situationen oder Personen, die wir nicht ändern oder beeinflussen können. Shit happens, würde man Neudeutsch denken und sagen. Darüber müssen wir aber nicht verzweifeln, geschweige denn immer wieder gedanklich ins Grübeln und Ärgern kommen. Anstatt dessen können wir unsere Einstellung gegenüber unangenehmen und unausweichlichen Ereignissen und Menschen ändern. Auch wenn das einfacher geschrieben als getan ist.
Wenn du wieder einmal mitten in der Grübelei steckst, versuche bewusst, die Situation oder die Person zu akzeptieren, sie anzunehmen. Hinterfrage hierzu das aktuelle, belastende Ereignis oder die stressige, nervende Person:
„Wird mich das Thema/diese Person voraussichtlich auch noch in einem Monat, in einem Jahr, in zwei oder drei Jahren beschäftigen?“
Allein die Antwort darauf kann vor Augen führen, dass es sich um eine temporäre Belastung handelt. Dadurch gelingt eher das Akzeptieren:
„Gut, soll so sein! Ich kann (derzeit) nichts dagegen tun, deshalb akzeptiere ich es, wie es ist!“
Sage dir das immer wieder. Dieses bewusste Annehmen reduziert den inneren Widerstand, was wiederum den Gedankenfluss beruhigen wird.
Achtung! Diese Übung bedeutet nicht, dass du dir ab sofort alles gefallen lassen und dich deinem „Schicksal“ ergeben sollst. Sie wird dir helfen, Situationen und Personen direkt im Geschehen zu akzeptieren oder auch zu tolerieren, die du in diesem Moment nicht für dich stresslösend verändern kannst. Es geht um eine schnelle, hilfreiche, nützliche Beruhigung des zentralen Nervensystems, dort, wo Ihre Aufmerksamkeit, Ihr Verstand und Wille sitzt. Ihre Aufgabe, etwas Grundsätzliches an der Situation an sich oder an dem Verhältnis zu dieser Person zu ändern, bleibt von dieser Übung unberührt. Daher auch die bewusst gewählte Formulierung „Ich kann derzeit (momentan, in diesem Fall, bezüglich dieser Person, den aktuellen Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen entsprechend) nichts dagegen tun. Aber diese Zeit wird für mich (noch) kommen!“
4. Das beruhigende Aquarium
Wenn dir wieder einmal alle Gedanken in deinem Kopf zu viel werden, egal, welcher Qualität und Inhalt, dann setze dich auf den Fußboden mit dem Rücken gerade zur Wand, schließe die Augen und stelle dir vor, mitten in einem vollkommen weißen, offenen Raum zu sitzen. Deine Arme und Hände lässt du dabei einfach zur Seite fallen, so, wie diese es von sich aus wollen. Atme ein und aus, nutze dafür die Atemschaukel (Einatmen, dabei bis 5 zählen, Ausatmen, dabei bis 8 zählen, einen Moment warten, spüren, dann wieder tief einatmen. Achte dabei auf die Zwerchfellatmung!), und spüre deine Gedanken nach, wie diese sich in deinem Kopf hin und her bewegen, sich miteinander verbinden, wieder lösen, neu finden. So, als würdest du schöne Fische in einem Aquarium beobachten. Empfinde das innerliche „zur Ruhe kommen“. Nach zirka 10 bis 15 Minuten wirst du für dich feststellen, wie deine Gedanken zur Ruhe kommen.
5. Das Gespräch suchen
Dein Gedankenkarussell ist immer die Folge von etwas, das dich beschäftigt, was noch nicht gelöst ist, Sorgen bereitet, belastet, aber auch nach einer Erfüllung sucht. Solange du diese Sache nicht wirklich gezielt und bewusst angehst und verstehst, so lange wird es dich auch immer weiter beschäftigen.
Wenn du doch hingegen mit anderen darüber austauschst, dich mit Menschen triffst, die dir zuhören, dich trösten und aufbauen, dann gelingt das gedankliche Verarbeiten weitaus besser. Manchmal reicht es sogar schon aus, über das Problem, den Konflikt, die schwierige Situation sich selbst gegenüber zu sprechen. Die Heilkraft von Selbstgesprächen ist Gegenstand von aktuellen Studien im Bereich der Neurowissenschaften.
Also: Immer wenn es möglich ist, suche das Gespräch. Auch wenn es manchmal schwerfällt, wende dich bei immer wiederkehrenden negativen Gedanken an einen Menschen, der du deine Gedanken und Gefühle anvertrauen kannst, die dir zuhört.
Eine Person, die einen distanzierteren Blick auf die Situation hat, erkennt häufig auch Lösungswege, auf die du vielleicht niemals kommen würdest.
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